Jodtabletten- was können sie, was nicht?
Das Info-Minütchen mit Julie Hardt, 29.06.`17
Nach der Menschenkette am Sonntag gegen die Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 sind auch die Jodtabletten wieder in den Fokus gerückt. Julie Hardts Gesprächspartner zu dem Thema ist Phillippe Mathie:
Wenn ihr die genaue Wirkungsweise von Jodtabletten nachlesen möchtet, lest Phillippe Mathies detaillierte Abhandlung zu dem Thema:
„Das Prinzip der Einnahme von Jodtabletten zur Vorbeugung im Falle einer drohenden starken radioaktiven Belastung ist recht einfach. Bei einer starken Einnahme von Jod werden die Überschüsse im Körper nicht „eingelagert“, sondern einfach nur ausgeschieden.
Werden kurz vor einer drohenden Belastung mit radioaktivem Jod Jodtabletten eingenommen, dann wird infolgedessen das radioaktive Jod nur zu einem geringen Teil aufgenommen und zum größten Teil direkt ausgeschieden (Schweiß, Urin, Stuhl).
Dies geschieht auch, wenn eine Belastung bereits kurz vor der Einnahme der Jodtabletten stattgefunden hat, denn durch das anschließende Überangebot an Jod wird auch ein großer Teil des radioaktiven Jods eliminiert. Die Wirkung würde jedoch stark nachlassen, wenn die Zeitspanne bis zur Einnahme der Jodtabletten zu lange wär, denn dann wäre radioaktives Jod bereits in die Schilddrüsenhormone integriert und würde damit nicht mehr ohne Weiteres den Körper verlassen.
Die Jodtabletten könnten somit eine gute Vorbeugung gegen drohenden Schilddrüsenkrebs bei einer starken radioaktiven Belastung sein. Doch was ist nun der Haken? Ganz einfach: Wie viele sicher bereits wissen, werden bei der Kernspaltung Dutzende radioaktive Isotope sehr unterschiedlicher Elemente freigesetzt, wobei das radioaktive Jod nur eines von vielen ist. Viele dieser radioaktiven Isotope sind Metalle, die in nicht radioaktiver Form in der Natur vorkommen und sich auch in unserem Körper nachweisen lassen. Warum verordnet man denn nicht einfach auch die Einnahme dieser Elemente zur Vorbeugung in höheren Mengen, um ihre radioaktiven Isotope im Falle einer Katastrophe aus dem Körper zu eliminieren? Die Antwort ist recht einfach: Viele dieser Metalle bilden fast unlösliche Verbindungen (Carbonate, Phosphate), die nicht eliminiert werden, sondern sich in verschiedenen Organen anhäufen (z.B. Knochen, Nieren). Ein Beispiel hierzu, das oft erwähnt wird, ist das Strontium. Ein Blick ins Periodensystem der Elemente genügt, um zu sehen, dass es ein enger Verwandter des Calciums ist. Bei einem gesunden Menschen befinden sich daher geringe Mengen an (nicht radioaktivem, harmlosem) Strontium vor allen Dingen in den Knochen. Das bei einer Katastrophe freigesetzte radioaktive Strontium (Sr-90) wird sich daher bevorzugt in die Knochen festsetzen und könnte dort zu bösartigen Tumoren führen. Kein Präparat der Welt kann dieses Strontium, ob radioaktiv oder nicht, so einfach wieder aus den Knochen eliminieren. Und dabei ist Strontium nur 1 Beispiel von vielen!
Somit dürfte es wohl klar sein, dass die Jodtabletten in wenigen Einzelfällen vor Schilddrüsenkrebs schützen könnten, Betroffene aber dennoch an anderen Krebserkrankungen leiden müssten (Knochen, Nieren, Leber, Leukämie…). Ein weiteres Beispiel ist radioaktives Cäsium (Cs-137), von welchem schon nach der Katastrophe in Tschernobyl (1986) die Rede war. Es ist zwar im Gegensatz zu vielen anderen Metallen auch als Salz gut löslich, es ist aber auch ein enger Verwandter des Kaliums und würde daher auch bei erhöhtem Angebot nicht ohne Weiteres aus dem Körper eliminiert (Kalium kommt in allen Körpersäften, insbesondere den Zellsäften, vor).
Man sieht also, dass die Jodtabletten keine Allheilmittel sind! Sie schützen global nicht vor der radioaktiven Gefahr, könnten aber dennoch in Einzelfällen zumindest vor drohendem Schilddrüsenkrebs schützen. Und solange die Möglichkeit besteht, auch nur einen Einzelnen zu retten, sollte man sie wahrnehmen.“